Paul von Essen

Gedenktafel am Haus Essenplatz 9 in Berlin-Köpenick
Stolperstein am Haus, Essenplatz 9, in Berlin-Köpenick
Das Grab von Paul von Essen auf dem Friedhof Baumschulenweg in Berlin

Paul von Essen (geboren am 1. März 1886 in Allenstein; gestorben am 21. Juni 1933 in Berlin-Köpenick) war ein deutscher Gewerkschafter und Mordopfer der Köpenicker Blutwoche.

Leben

Paul von Essen war der Sohn eines Eisenbahners und wurde im ostpreußischen Allenstein geboren. Er erlernte den Beruf eines Maschinenschlossers. 1904 ging er nach Danzig und 1905 nach Berlin. Seit 1907 arbeitete er im Kabelwerk Oberspree. Dort wurde er zum Betriebsrat gewählt. Er trat der SPD bei, wurde Mitglied des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (DMV) und des Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Seit 1919 wohnte er in der Siedlung Elsengrund. 1932 wurde er von den Kabelwerken Oberspree entlassen. Nach seiner Entlassung arbeitete er als Jagdhelfer bei der Wäscherei Landrock in Köpenick. Er war Sekretär des DMV in seinem Betrieb. Als Mitglied des Reichsbanners versuchte er die Wehrorganisation gegen den Papen‐Staatsstreich 1932 und gegen die Errichtung der Hitler‐Diktatur zu mobilisieren.

Am 21. Juni 1933 wurde Paul von Essen am frühen Morgen von der SA gefangen genommen. Er wurde in das SA-Sturmlokal „Seidler“ gebracht. Zur Vernehmung hatte man den Kriminalkommissar Otto Busdorf zuhause abgeholt, obwohl dieser dienstfrei hatte. Dieser wurde 1950 deshalb zu einer 25-jährigen Zuchthausstrafe verurteilt.[1] Von Essen und Götz Kilian wurden hier gefoltert[2] und später in das Amtsgerichtsgefängnis Köpenick gebracht. Stelling wurde dort erschossen. Kilian überlebte schwer verletzt. Er starb 1940 an den Folgen der Misshandlungen.[3] Ein Zeuge berichtet 1933: „Das Auto brachte uns zum Köpenicker Gerichtsgefängnis. Der Platz vor dem Amtsgericht war voll von SA-Leuten, die sich sofort auf uns stürzen wollten.“ […] „Inzwischen war unter ungeheurem Siegesgeheul der 55jahrige Genosse Paul von Essen herbeigeschleppt worden. Er war seit langer Zeit erwerbslos, eben erst aus dem Krankenhaus gekommen und auf einem Auge blind, Vater von vier Kindern und Kriegsteilnehmer. Man schlug ihn erst ins Gesicht, dann riss man ihm die Hosen herunter und schlug ihn mit geradezu rasender Wut mit Stöcken und Knütteln[4] auf den entblösten Körper, bis er die Besinnung verlor. Ein SA-Führer sagte dann: ‚So, ein Schwein wäre fertig!‘ Genosse von Essen ist inzwischen den furchtbaren Verletzungen, die ihm seine Peiniger zufügten, erlegen.“[5] „In der Nacht vom 22. zum 23. Juni 1933 wurden vom Amtsgerichtsgefängnis die dort ermordeten und in Säcke genähten Opfer, darunter von Essen, Stelling und Pokern mit dem Lastkraftwagen der Firma Ewald zum SA-Lokal Wendenschloss gebracht.“[6] Am 1. und 2. Juli 1933 wurden in Säcken eingenäht in der Dahme die verstümmelten Leichen von Johannes Stelling, Paul von Essen und Karl Pokern gefunden.[7] Am 12. Februar 1934 schlägt die Zentralstaatsanwaltschaft das „Verfahren in der Todesermittlungssache Stelling, von Essen, Pokern und Pohle“ nieder.[8]

Stelling und Essen wurden unter großer Anteilnahme ihrer sozialdemokratischen Genossen im Juli 1933 im Krematorium Wedding (Gerichtsstraße) eingeäschert.[9] Essen wurde auf dem Friedhof Baumschulenweg beerdigt. SA-Männer stahlen seine Urne.[10][11]

Gedenken

  • Am 31. Juli 1947 erfolgte die Umbenennung seiner ehemaligen Wohnstraße in Köpenick in „Essenplatz“.[12]
  • Gedenktafeln am Wohnhaus „Essenplatz 9“, am „Essenplatz 1“ und in der „Wilhelminenhofstraße 76–77“ erinnern an Paul von Essen.
  • Ein Stolperstein vor seinem Wohnhaus „Essenplatz 9“ erinnert seit dem 2. Dezember 2013 an ihn.

Literatur

  • Rudolf Hirsch: Die Blutwoche von Köpenick. Aus dem Gerichtssaal (PDF; 20,3 MB) Berichte über den „Prozess gegen Plönzke und andere“ in der Täglichen Rundschau vom 6. Juni bis 20. Juli 1950.
  • Bartholomäusnacht in Köpenick. In: Braunbuch über Reichstagsbrand und Hitlerterror. Zuerst erschienen unter dem Titel Livre Brun sur l’incendie du Reichstag et le terreur hitlerìenne. Mit einem Vorwort von Lord Marley. Edition Carrefour Paris 1933, S. 330–331. Gleichzeitig erschienen Ausgaben in Deutsch bei der Universum-Bücherei in Basel und Übersetzungen in die wichtigsten Sprachen der Welt. (Lord Marley war ein einflussreicher Labourpolitiker) Textarchiv – Internet Archive
  • Kurt Werner, Karl Heinz Biernat: Die Köpenicker Blutwoche Juni 1933. Dietz Verlag, Berlin 1958. (47 S.)
    • Kurt Werner, Karl Heinz Biernat: Die Köpenicker Blutwoche Juni 1933 mit einem Anhang der Opfer. Dietz Verlag, Berlin 1960. (103 S.)
  • Paul von Essen. In: Luise Kraushaar: Deutsche Widerstandskämpfer 1933–1945, Biographien und Briefe. Band 2. Dietz Verlag, Berlin 1970, S. 478–479. (Fotografie S. 479.)
  • Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Köpenick und Treptow. Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 2010, S. 26, 28, 32, 33, 36, 62, 294, 301.[13] (=Schriftenreihe über den Widerstand in Berlin von 1933 bis 1945. Band 9) ISBN 3-926082-03-8. Digitalisat (PDF)
  • Stefan Hördler (Hrsg.): SA-Terror als Herrschaftssicherung: „Köpenicker Blutwoche“ und öffentliche Gewalt im Nationalsozialismus. Metropol, Berlin 2013, ISBN 978-3-86331-133-9.
  • Gunther Geserick, Klaus Vendura, Ingo Wirth: Zeitzeuge Tod. Spektakuläre Fälle der Gerichtsmedizin. 6. Auflage. Militzke Verlag, 2011. Militzke Verlag, Leipzig 2011. ISBN 978-3-86189-628-9 books.google.de
  • Herbert Mayer: Mahnung an die Köpenicker Blutwoche. In: Berlinische Monatsschrift (Luisenstädtischer Bildungsverein). Heft 6, 1998, ISSN 0944-5560, S. 86–88 (luise-berlin.de). 
  • Anita Wünschmann: So hoch liegt der Schnee in Italien. Vor 70 Jahren begann in Köpenick der größte Terroreinsatz der Nazis. Die Geschichte des Anton Schmaus. In: Berliner Zeitung, 21. Juni 2003
  • Klemens Spittel ist Enkel eines Opfers. In: Berliner Woche; abgerufen am 5. März 2017

Weblinks

Commons: Paul von Essen – Album mit Bildern
Commons: Paul von Essen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Im Verlaufe der Köpenicker Blutwoche ab 21. Juni 1933 wurden sie in den SA-Schlägerlokalen grausam gefoltert und brutal ermordet.
  • Vor sieben Jahrzehnten – Köpenicker Blutwoche Juni 1933. Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten Köpenick
  • Paul von Essen. Stolpersteine Berlin
  • Paul von Essen. VVN
  • Paul von Essen. SPD Berlin
  • Kurzbiografie zum Engagement im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold
  • Gedenktafel für Grete Walter, Paul von Essen, Judith Auer und Arthur Illgen.

Einzelnachweise

  1. Originals vom 9. Januar 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.swr.de (PDF; 119 kB) 8. Februar 2015, Transkription; abgerufen am 9. Januar 2019
  2. Siehe Rudolf Hirsch.
  3. Heinrich-Wilhelm Wörmann, S. 26.
  4. Gemeint sind vermutlich „Knüppel“.
  5. Braunbuch, S. 330.
  6. Lfd. Nr. 1293a. Landgericht Berlin vom 19. Juli 1950. DDR-Justiz und NS-Verbrechen. Band VI, S. 276.
  7. Kurt Werner, Karl Heinz Biernat (1960), S. 35.
  8. Stefan Hördler, S. 73.
  9. Heinrich-Wilhelm Wörmann, S. 62.
  10. Klemens Spittel.
  11. Ehrengrabstätten in Treptow-Köpenick
  12. Essenplatz. In: Straßennamenlexikon des Luisenstädtischen Bildungsvereins (beim Kaupert)
  13. Titelbild: Umzug der SPD in Friedrichshagen. Bannerträger ist der im Juni 1933 ermordete Paul von Essen.
Normdaten (Person): GND: 1179117913 (lobid, OGND, AKS) | VIAF: 4056155191934682440008 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Essen, Paul von
KURZBESCHREIBUNG deutscher Gewerkschafter, Mordopfer der Köpenicker Blutnacht (SPD)
GEBURTSDATUM 1. März 1886
GEBURTSORT Allenstein
STERBEDATUM 21. Juni 1933
STERBEORT Berlin-Köpenick