Loránd Eötvös

Loránd Eötvös (1912)

Loránd Ágoston Baron Eötvös von Vásárosnamény [ˈloraːnd aːgoʃtonˈøtvøʃ], international bekannt als Roland (von) Eötvös,[1] (* 27. Juli 1848 in Buda; † 8. April 1919 in Budapest) war ein ungarischer Physiker und Geophysiker.

Seine bedeutendsten Forschungen betreffen die Kapillarphysik, die Gravitation und das Erdmagnetfeld. 1950 wurde die Budapester Eötvös-Loránd-Universität nach ihm benannt.

Leben und Forschung

Loránd Eötvös, Sohn des Schriftstellers und Staatsmannes József Eötvös, studierte zunächst Rechtswissenschaft in Budapest, wechselte aber bald zur Physik und absolvierte ein Auslandsstudium in Heidelberg – bei Kirchhoff, Helmholtz und Bunsen – sowie in Königsberg. Nach seiner Habilitation 1871 wurde er Professor für Physik an der heutigen Loránd-Eötvös-Universität in Budapest, die seit 1950 nach ihm benannt ist (Eötvös Loránd Tudományegyetem).

Er konstruierte um 1906 eine spezielle Drehwaage (die zuvor schon von John Michell, Charles-Augustin de Coulomb und Henry Cavendish entwickelt worden war) zur Messung von kleinen räumlichen Schwereveränderungen. Diese Schweregradienten dienten in der Folge zur geophysikalischen Exploration von Rohstoffen.

Durch eingehende Experimente gelang ihm der präzise Nachweis des Äquivalenzprinzips. Nach diesem wichtigen Satz der Physik hängt die Gravitationskraft nur von der Masse der Objekte, nicht aber von ihrem Stoff ab, was u. a. bedeutet, dass beim freien Fall im Vakuum alle Körper gleich schnell fallen. Generell bezeichnet man Experimente, die die Gleichheit von schwerer und träger Masse überprüfen, als Eötvös-Experimente.

Als er 1894 für kurze Zeit ungarischer Kultus- und Unterrichtsminister wurde, reformierte Loránd Eötvös die Mittelschulen seines Landes. Er gründete das Joseph Eötvös-Kollegium zur Ausbildung guter Lehrer und räumte dem Mathematikunterricht eine bedeutende Rolle ein. Dies wirkt sich bis heute bei den europäischen Denksport- und Mathematik-Olympiaden aus, deren Wettbewerbe häufig von ungarischen Gymnasiasten gewonnen werden.

1883 wurde er in die Ungarische Akademie der Wissenschaften gewählt, deren Präsident er von 1889 bis 1905 war. Seit 1910 war er korrespondierendes Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften.[2]

Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit war Eötvös ein bekannter Alpinist, der in den Dolomiten mehrere Erstbesteigungen (meistens zusammen mit dem Bergführer Michel Innerkofler) durchführte, z. B. Sextner Rotwand 1878.[3] Seine Töchter Ilona und Rolanda von Eötvös wurden ebenfalls in den Dolomiten als Bergsteigerinnen bekannt.[4][5] Er war langjähriger Präsident des ungarischen Tourismusverbandes.[6]

Anekdoten

Valentine Telegdi erzählt folgende Anekdote über Eötvös, der als (ehemaliger) Unterrichtsminister Anspruch auf den Titel „Exzellenz“ hatte. Eötvös examinierte einen Medizinstudenten. Als dieser ihn im Prüfungsdruck versehentlich mit Professor anredete, meinte Eötvös: Nun mein junger Freund, wenn wir an diesem Punkt angelangt sind, können Sie mich gleich Onkel Roland nennen.[7] Telegdi, der selbst Ungar war, betont auch, dass es für den ungarischen Landadel absolut ungewöhnlich war, in die Forschung oder Lehre zu gehen.

Nach ihm benannt sind außerdem

  • die Eötvössche Regel
  • die mittlerweile unzulässige Einheit Eötvös zur Angabe von Schwerkraftänderungen zwischen verschiedenen geografischen Messpunkten in der Geophysik.[8]
  • im Bereich der Strömungsmechanik die Eötvös-Zahl, welche als dimensionslose Kennzahl zur Bestimmung der Gestalt einer fluiden Kugel (Luftblase etc.) verwendet wird
  • der Eötvös-Effekt, die vertikale Ablenkung durch die Corioliskraft
  • der Krater Eötvös auf dem Mond
  • der Asteroid (12301) Eötvös
  • der Berggipfel Cima Eötvös der Cadini-Gruppe in den Dolomiten
  • das Mineral Lorándit

Literatur

  • Eötvös Roland Baron. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 1, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1957, S. 257.
  • Lászlo Kovács: Eötvös Loránd, tudós-tanár. UP, Szombathely 2002, ISBN 963-9290-25-4
  • László Szarka: Eötvös Loránd 1848–1919, Tihany 2019 (PDF)

Weblinks

Commons: Loránd Eötvös – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Literatur von und über Loránd Eötvös im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Eötvös Loránd Virtual Museum (englisch)
  • Gabriele Dörflinger: Eötvös, Loránd (27.7.1848 – 8.4.1919) (PDF, 3 MB, erstellt 2016) in der Sammlung Homo Heidelbergensis mathematicus der Universitätsbibliothek Heidelberg

Einzelnachweise

  1. Er immatrikulierte sich als Roland Eötvös in Heidelberg, vgl. Porträt der Uni Heidelberg, und publizierte deutsch unter dem Namen Roland von Eötvös, vgl. Briefwechsel mit Einstein: Table of Contents for Einstein, A.; Hentschel, A., trans.: The Collected Papers of Albert Einstein, Volume 8: The Berlin Years: Correspondence, 1914-1918. (English supplement translation) (Memento vom 11. Juni 2007 im Internet Archive). Dieser Name wird auch heute noch oft verwendet, vgl. www.time.com: A Fifth Force? vom 21. Juni 2005.
  2. Mitglieder der Vorgängerakademien. Loránd (Roland) Baron Eötvös. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 19. März 2015. 
  3. Most important climbings of Loránd Eötvös (Memento vom 24. Juni 2007 im Internet Archive)
  4. (Climbings of) the whole family (Memento vom 24. Juni 2007 im Internet Archive)
  5. (Climbings of) Ilona and Rolanda Eötvös (Memento vom 24. Juni 2007 im Internet Archive)
  6. The life of Loránd Eötvös (Memento vom 13. August 2007 im Internet Archive)
  7. Telegdi, Oral History Project, Caltech
  8. esa: Basic Measurement Units
Normdaten (Person): GND: 117511072 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: n86045842 | VIAF: 69709695 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Eötvös, Loránd
ALTERNATIVNAMEN Eötvös, Loránd Ágoston (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG ungarischer Physiker und Geophysiker
GEBURTSDATUM 27. Juli 1848
GEBURTSORT Buda
STERBEDATUM 8. April 1919
STERBEORT Budapest