Keirin
Keirin (von japanisch 競輪, Keirin, deutsch „Radrennen“) ist eine Disziplin des Bahnradsports. Es handelt sich um eine aus Japan stammende Variante des Sprints; sie wird auch als „Kampfsprint“ bezeichnet.
Geschichte
Keirin wurde 1948 in Japan als Wettsport eingeführt; die Einnahmen aus den Wetten waren damals für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg gedacht.
1980 wurde Keirin in das Programm von Bahnradsport-Weltmeisterschaften für männliche Profis aufgenommen, seit 1993 wird der Wettbewerb für die Kategorie Männer Elite ausgetragen. Im Jahr 2002 wurden auch Weltmeisterschaften der Kategorie Frauen Elite eingeführt.
Seit dem Jahr 2000 ist Keirin für Männer ein olympischer Radsportwettbewerb. Bei den Olympischen Spielen 2012 wurden erstmals Medaillen in einem Keirinwettbewerb für Frauen vergeben. Der Keirin gehört auch zu den Disziplinen, die bei der seit 2021 bestehenden UCI Track Champions League gefahren werden.
Recherchen, über die die BBC 2008 berichtete, legen nahe, dass die Japanische Keirin-Stiftung (JKA) der Union Cycliste Internationale (UCI) in den 1990er Jahren drei Millionen Dollar für die Aufnahme von Keirin in das olympische Programm zahlte.[1]
Regeln
Nach den Regeln der UCI[2] werden Keirinläufe mit mehreren Fahrern über eine Distanz von etwa 1500 Metern ausgetragen. Auf 250-Meter-Bahnen wird diese Distanz nach sechs Runden erreicht. Die Anzahl der Fahrer in einem Lauf beträgt meistens sechs.
Während der ersten Hälfte der Distanz fährt ein Schrittmacher auf einem Derny oder auf einem elektrisch angetriebenen Rad vor dem Feld her und beschleunigt langsam von ca. 30 km/h auf eine Geschwindigkeit von etwa 50 km/h. Die Fahrer ordnen sich nach einer zuvor ausgelosten Reihenfolge hinter dem Derny ein und müssen diese während der ersten Runde einhalten. Die Fahrer sollen eine Position unmittelbar hinter dem Derny einnehmen.
Nachdem der Schrittmacher nach 750 Metern die Bahn verlassen hat, setzt der Finalkampf ein, der nach den Regeln für den Sprint gefahren wird.[3] Insbesondere müssen Fahrer im Zielsprint, mindestens aber in den letzten 200 Metern, ihre Fahrlinie einhalten, solange sie nicht wenigstens eine Radlänge Vorsprung haben. Taktische Manöver, um Gegner am Überholen zu hindern, sind verboten. Dabei ist der Sprintkorridor zwischen der schwarzen Messlinie und der roten Sprinterlinie zu beachten (siehe Markierung der Bahn). Ein Fahrer, der sich dort befindet, darf weder von links noch von rechts bedrängt werden, muss aber seinerseits diesen Korridor einhalten.
Turniermodus: Bei größeren Teilnehmerzahlen wird Keirin in mehreren Turnierrunden ausgetragen. Eine vorher festgelegte Anzahl an Teilnehmern erreicht dann jeweils die nächste Runde oder einen Hoffnungslauf. Die Details variieren je nach Teilnehmerzahl.
Keirin in Japan
In Japan benutzt auch der Schrittmacher ein Rennrad, pro Lauf starten neun Fahrer. Auch ist mehr Körpereinsatz zulässig als bei Rennen der UCI. Die Fahrer tragen zum Schutz gegen Stürze einen Plastikpanzer unter ihren bunten Trikots.
Heute werden in Japan jährlich rund 15 Milliarden Euro bei 40.000 Rennen umgesetzt und die sich im Wesentlichen aus Sportwetten ergebenden Gewinne zur Unterstützung der heimischen Fahrrad-Industrie genutzt. Die Rennen werden auf 50 Radrennbahnen der JKA mit über 4000 professionellen Fahrern ausgetragen.
Um Wettmanipulationen durch Beeinflussung der Fahrer zu vermeiden, gehen die Fahrer während der Wettkampfphase in Klausur: Sie leben in speziellen Hotels neben den Velodromen und dürfen weder physisch noch per Telefon Kontakt mit der Außenwelt haben. Um eine Fahrer-Lizenz zu erhalten, müssen sie eine zehnmonatige „Keirin-Schule“ besuchen und eine Prüfung ablegen. Ausrüstung und Bekleidung sind vorgeschrieben.[4] Die Fahrer selbst sind in ein vierstufiges Leistungssystem eingeteilt. Innerhalb der Rennen der obersten Leistungsklasse findet jährlich im Frühjahr die sogenannte „Internationale Keirin-Serie“ statt, zu der erfolgreiche ausländische Rennfahrer eingeladen werden. Um sich auf die speziellen Regeln einzustellen, müssen auch sie für zwei Wochen die „Keirin-Schule“ mit Prüfung absolvieren. Mit elf Teilnahmen ist der Belgier Michel Vaarten der Ausländer mit den meisten Starts bei der japanischen Keirin-Serie. Deutsche Starter waren bisher u. a. Dieter Giebken, Michael Hübner, Sören Lausberg, Jan van Eijden, Jens Fiedler und Stefan Nimke.[5]
Der zehnfache japanische Profi-Weltmeister im Sprint Kōichi Nakano siegte in den 1970er und 1980er Jahren bei den heimischen Keirin-Serien mehrfach in Folge. International startete er allerdings nie im Keirin.
Von 1949 bis 1964 wurden bei den Keirinrennen in Japan auch Wettbewerbe für Frauen ausgetragen. 2012 wurde der Frauenwettbewerb unter dem Titel Girl’s Keirin wieder eingeführt. Die Frauen müssen, ebenso wie die Männer, die Keirinschule durchlaufen. 2014 wurde die deutsche Fahrerin Miriam Welte neben der Spanierin Helena Casas zur Teilnahme geladen.[6]
Ergebnisse bei Bahnradsport-Weltmeisterschaften
Männer
Jahr | Gold | Silber | Bronze |
---|---|---|---|
1980 | Australien Danny Clark | Frankreich Daniel Morelon | Danemark Niels Fredborg |
1981 | Australien Danny Clark | Italien Guido Bontempi | Japan Chiyoshi Kubo |
1982 | Kanada Gordon Singleton | Australien Danny Clark | Japan Tōru Kitamura |
1983 | Schweiz Urs Freuler | Australien Danny Clark | Vereinigte Staaten Gilbert Hatton[7] |
1984 | Schweiz Robert Dill-Bundi | Italien Ottavio Dazzan | Schweiz Urs Freuler |
1985 | Schweiz Urs Freuler | Italien Ottavio Dazzan | Japan Masamitsu Takizawa Deutschland Dieter Giebken |
1986 | Belgien Michel Vaarten | Deutschland Dieter Giebken | Schweiz Urs Freuler |
1987 | Japan Harumi Honda | Italien Claudio Golinelli | Schweiz Urs Freuler |
1988 | Italien Claudio Golinelli | Italien Ottavio Dazzan | Belgien Michel Vaarten |
1989 | Italien Claudio Golinelli | Frankreich Patrick Da Rocha | Japan Masatoshi Sako |
1990 | Deutschland Demokratische Republik 1949 Michael Hübner | Belgien Michel Vaarten | Italien Claudio Golinelli |
1991 | Deutschland Michael Hübner | Italien Claudio Golinelli | Frankreich Fabrice Colas |
1992 | Deutschland Michael Hübner | Australien Stephen Pate | Frankreich Frédéric Magné |
1993 | Australien Gary Neiwand | Vereinigte Staaten Martin Nothstein | Japan Toshimasa Yoshioka |
1994 | Vereinigte Staaten Martin Nothstein | Deutschland Michael Hübner | Italien Federico Paris |
1995 | Frankreich Frédéric Magné | Deutschland Michael Hübner | Italien Federico Paris |
1996 | Vereinigte Staaten Martin Nothstein | Australien Gary Neiwand | Frankreich Frédéric Magné |
1997 | Frankreich Frédéric Magné | Sudafrika Jean-Pierre van Zyl | Vereinigte Staaten Martin Nothstein |
1998 | Deutschland Jens Fiedler | Lettland Ainārs Ķiksis | Frankreich Laurent Gané |
1999 | Deutschland Jens Fiedler | Neuseeland Anthony Peden | Frankreich Frédéric Magné |
2000 | Frankreich Frédéric Magné | Deutschland Jens Fiedler | Tschechien Pavel Buráň |
2001 | Australien Ryan Bayley | Frankreich Laurent Gané | Deutschland Jens Fiedler |
2002 | Australien Jobie Dajka | Spanien José Antonio Villanueva | Deutschland René Wolff |
2003 | Frankreich Laurent Gané | Australien Jobie Dajka | disqualifiziert[8][9] |
2004 | Vereinigtes Konigreich Jamie Staff | Spanien José Antonio Escuredo | Tschechien Ivan Vrba |
2005 | Niederlande Teun Mulder | Barbados Barry Forde | Australien Shane Kelly |
2006 | Niederlande Theo Bos | Spanien José Antonio Escuredo | Frankreich Arnaud Tournant |
2007 | Vereinigtes Konigreich Chris Hoy | Niederlande Theo Bos | Vereinigtes Konigreich Ross Edgar |
2008 | Vereinigtes Konigreich Chris Hoy | Niederlande Teun Mulder | Griechenland Christos Volikakis |
2009 | Deutschland Maximilian Levy | Frankreich François Pervis | Niederlande Teun Mulder |
2010 | Vereinigtes Konigreich Chris Hoy | Malaysia Azizulhasni Awang | Deutschland Maximilian Levy |
2011 | Australien Shane Perkins | Vereinigtes Konigreich Chris Hoy | Niederlande Teun Mulder |
2012 | Vereinigtes Konigreich Chris Hoy | Deutschland Maximilian Levy | Vereinigtes Konigreich Jason Kenny |
2013 | Vereinigtes Konigreich Jason Kenny | Deutschland Maximilian Levy | Niederlande Matthijs Büchli |
2014 | Frankreich François Pervis | Kolumbien Fabián Puerta | Niederlande Matthijs Büchli |
2015 | Frankreich François Pervis | Neuseeland Edward Dawkins | Malaysia Azizulhasni Awang |
2016 | Deutschland Joachim Eilers | Neuseeland Edward Dawkins | Malaysia Azizulhasni Awang |
2017 | Malaysia Azizulhasni Awang | Kolumbien Fabián Puerta | Tschechien Tomáš Bábek |
2018 | Kolumbien Fabián Puerta | Japan Tomoyuki Kawabata | Deutschland Maximilian Levy |
2019 | Niederlande Matthijs Büchli | Japan Yudai Nitta | Deutschland Stefan Bötticher |
2020 | Niederlande Harrie Lavreysen | Japan Yūta Wakimoto | Malaysia Azizulhasni Awang |
2021 | Niederlande Harrie Lavreysen | Niederlande Jeffrey Hoogland | Russland Michail Jakowlew |
2022 | Niederlande Harrie Lavreysen | Niederlande Jeffrey Hoogland | Kolumbien Kevin Quintero |
2023 | Kolumbien Kevin Quintero | Australien Matthew Richardson | Japan Shinji Nakano |
Frauen
Jahr | Gold | Silber | Bronze |
---|---|---|---|
2002 | China Volksrepublik Li Na | Frankreich Clara Sanchez | Australien Rosealee Hubbard |
2003 | Russland Swetlana Grankowskaja | Australien Anna Meares | Russland Oksana Grischina |
2004 | Frankreich Clara Sanchez | Italien Elisa Frisoni | Vereinigte Staaten Jennie Reed |
2005 | Frankreich Clara Sanchez | Italien Elisa Frisoni | Niederlande Yvonne Hijgenaar |
2006 | Deutschland Christin Muche | Frankreich Clara Sanchez | China Volksrepublik Guo Shuang |
2007 | Vereinigtes Konigreich Victoria Pendleton | China Volksrepublik Guo Shuang | Australien Anna Meares |
2008 | Vereinigte Staaten Jennie Reed | Vereinigtes Konigreich Victoria Pendleton | Deutschland Christin Muche |
2009 | China Volksrepublik Guo Shuang | Frankreich Clara Sanchez | Niederlande Willy Kanis |
2010 | Litauen Simona Krupeckaitė | Vereinigtes Konigreich Victoria Pendleton | Belarus Olga Panarina |
2011 | Australien Anna Meares | Belarus Olga Panarina | Frankreich Clara Sanchez |
2012 | Australien Anna Meares | Russland Ekaterina Gnidenko | Deutschland Kristina Vogel |
2013 | Vereinigtes Konigreich Rebecca James | China Volksrepublik Gong Jinjie | Kuba Lisandra Guerra |
2014 | Deutschland Kristina Vogel | Australien Anna Meares | Vereinigtes Konigreich Rebecca James |
2015 | Australien Anna Meares | Niederlande Shanne Braspennincx | Kuba Lisandra Guerra |
2016 | Deutschland Kristina Vogel | Australien Anna Meares | Vereinigtes Konigreich Rebecca James |
2017 | Deutschland Kristina Vogel | Kolumbien Martha Bayona | Belgien Nicky Degrendele |
2018 | Belgien Nicky Degrendele | Hongkong Lee Wai-sze | Litauen Simona Krupeckaitė |
2019 | Hongkong Lee Wai-sze | Australien Kaarle McCulloch | Russland Darja Schmeljowa |
2020 | Deutschland Emma Hinze | Korea Sud Lee Hye-jin | Australien Stephanie Morton |
2021 | Deutschland Lea Sophie Friedrich | Japan Mina Satō | Russland Jana Tyschtschenko |
2022 | Deutschland Lea Sophie Friedrich | Japan Mina Satō | Niederlande Steffie van der Peet |
2023 | Neuseeland Ellesse Andrews | Kolumbien Martha Bayona | Deutschland Lea Sophie Friedrich |
Literatur
- Kai-K. Sawabe, Bertram Job: Keirin. Opus-Verlag, Limburg 1996, ISBN 3-00-001148-X.
Weblinks
- Keirin Speed racers on nowness.com
- UCI Reglement für den Bahnradsport, dort: 3.2.14 ff. „Keirin“ (englisch/französisch)
- Girl’s Keirin in Japan. Tokyo Weekender, 16. September 2012, abgerufen am 7. April 2014 (englisch).
- Elite Track World Championships - Palmarès. In: Union Cycliste Internationale. S. 11–12, abgerufen am 8. Oktober 2022.
Einzelnachweise
- ↑ Matt McGrath: Cycling cash linked to Olympics. In: Website der BBC News. British Broadcasting Corporation, 27. Juli 2008, abgerufen am 2. April 2011 (englisch).
- ↑ Artikel 3.2.134ff des UCI-Regelwerks
- ↑ Artikel 3.2.041ff des UCI-Regelwerks
- ↑ So ist die Übersetzung an den Rädern auf <55:12–16 festgelegt, vgl. Kai-K. Sawabe/Bertram Job: Keirin, Limburg 1996, S. 20
- ↑ Martina Kasprzak: „Kamst dir vor wie im Knast“. In: Schweriner Volkszeitung. Zeitungsverlag Schwerin GmbH & Co. KG, archiviert vom Original am 15. August 2007; abgerufen am 8. Dezember 2013.
- ↑ Achim Dreis: Fahrradführerschein für Kampfsprinter. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, 3. April 2014, abgerufen am 7. April 2014.
- ↑ In den Palmarès der UCI als Brite bezeichnet.
- ↑ Der ursprüngliche Gewinner der Bronzemedaille im Keirin, Barry Forde aus Barbados, wurde nachträglich wegen Dopings disqualifiziert.
- ↑ UCI Doping news. In: Cyclingnews.com. 1. Dezember 2003; abgerufen im 1. Januar 1 (englisch).