Cesàro-Mittel

Als Cesàro-Mittel oder Cesàro-Durchschnitte werden die zu einer gegebenen Zahlenfolge aus den ersten n {\displaystyle n} Folgengliedern gebildeten arithmetischen Mittel bezeichnet. Wenn diese für wachsende n {\displaystyle n} konvergieren, spricht man von Cesàro-Konvergenz. Im Falle von Reihen (als Folgen von Partialsummen) spricht man auch von Cesàro-Summierbarkeit und bezeichnet den Grenzwert als Cesàro-Summe. Diese Begriffsbildung geht auf den italienischen Mathematiker Ernesto Cesàro zurück und ermöglicht eine Erweiterung des normalen Konvergenzbegriffs. Sie ist deswegen insbesondere in der Theorie der divergenten Reihen und der Fourier-Analysis von Bedeutung.

Definition

Zu einer gegebenen Zahlenfolge ( a n ) n N {\displaystyle (a_{n})_{n\in \mathbb {N} }} bildet man die arithmetischen Mittel über die ersten n {\displaystyle n} Folgenglieder, also

σ 1 = a 1 σ 2 = a 1 + a 2 2 σ 3 = a 1 + a 2 + a 3 3 σ n = a 1 + + a n n {\displaystyle {\begin{aligned}\sigma _{1}&=a_{1}\\\sigma _{2}&={\frac {a_{1}+a_{2}}{2}}\\\sigma _{3}&={\frac {a_{1}+a_{2}+a_{3}}{3}}\\&\;\;\vdots \\\sigma _{n}&={\frac {a_{1}+\ldots +a_{n}}{n}}\\&\;\;\vdots \end{aligned}}}

Man bezeichnet σ n {\displaystyle \sigma _{n}} dann als das n {\displaystyle n} -te Cesàro-Mittel beziehungsweise die Folge ( σ n ) n N {\displaystyle (\sigma _{n})_{n\in \mathbb {N} }} als Folge der Cesàro-Mittel.

Konvergiert die Folge ( a n ) n N {\displaystyle (a_{n})_{n\in \mathbb {N} }} gegen einen Wert a {\displaystyle a} , so konvergiert nach dem Cauchyschen Grenzwertsatz auch die Folge der Cesàro-Mittel ( σ n ) n N {\displaystyle (\sigma _{n})_{n\in \mathbb {N} }} gegen a {\displaystyle a} , das heißt, aus a n a {\displaystyle a_{n}\rightarrow a} folgt σ n a {\displaystyle \sigma _{n}\rightarrow a} oder ausgeschrieben a 1 + + a n n a {\displaystyle {\tfrac {a_{1}+\ldots +a_{n}}{n}}\rightarrow a} . Die Folge der Cesàro-Mittel ( σ n ) n N {\displaystyle (\sigma _{n})_{n\in \mathbb {N} }} kann jedoch auch konvergieren, ohne dass die Ausgangsfolge ( a n ) n N {\displaystyle (a_{n})_{n\in \mathbb {N} }} konvergiert.

Ein Beispiel hierfür ist die alternierende Folge ( ( 1 ) n + 1 ) n N = ( 1 , 1 , 1 , 1 , ) {\displaystyle \left((-1)^{n+1}\right)_{n\in \mathbb {N} }=(1,-1,1,-1,\ldots )} , sie selbst ist divergent, aber die Folge ihrer Cesàro-Mittel ( σ n ) n N = ( 1 , 0 , 1 3 , 0 , 1 5 , ) = ( 1 + ( 1 ) n + 1 2 n ) n N {\displaystyle (\sigma _{n})_{n\in \mathbb {N} }=(1,0,{\tfrac {1}{3}},0,{\tfrac {1}{5}},\ldots )=\left({\tfrac {1+(-1)^{n+1}}{2n}}\right)_{n\in \mathbb {N} }} konvergiert gegen 0.

Damit hat man eine Erweiterung des normalen Konvergenzbegriffes für Folgen und bezeichnet eine Folge dementsprechend als Cesàro-konvergent, wenn die Folge ihrer Cesàro-Mittel konvergiert.

Spezialfall Reihen

Ein wichtiger Spezialfall ist die Anwendung der Cesàro-Mittel beziehungsweise der Cesàro-Konvergenz auf Reihen, das heißt auf die Folge der Partialsummen einer Reihe. Zu einer Folge ( a n ) n N {\displaystyle (a_{n})_{n\in \mathbb {N} }} sind die Partialsummen der Reihe a n {\displaystyle \textstyle \sum a_{n}} definiert als:

s 1 = a 1 s 2 = a 1 + a 2 s 3 = a 1 + a 2 + a 3 s n = a 1 + + a n {\displaystyle {\begin{aligned}s_{1}&=a_{1}\\s_{2}&=a_{1}+a_{2}\\s_{3}&=a_{1}+a_{2}+a_{3}\\&\;\;\vdots \\s_{n}&=a_{1}+\ldots +a_{n}\\&\;\;\vdots \end{aligned}}}

Zu dieser Folge ( s n ) n N {\displaystyle (s_{n})_{n\in \mathbb {N} }} bildet man nun die Cesàro-Mittel σ n = s 1 + + s n n {\displaystyle \sigma _{n}={\tfrac {s_{1}+\ldots +s_{n}}{n}}} . Konvergieren diese, das heißt σ n σ {\displaystyle \sigma _{n}\rightarrow \sigma } , so bezeichnet man die Reihe a n {\displaystyle \textstyle \sum a_{n}} Cesàro-konvergent, Cesàro-summierbar oder C 1 {\displaystyle C_{1}} -summierbar zum Wert σ {\displaystyle \sigma } und schreibt C - n = 1 a n = σ {\displaystyle C{\text{-}}\sum _{n=1}^{\infty }a_{n}=\sigma } . Den Grenzwert σ {\displaystyle \sigma } nennt man Cesàro-Summe und auch die Ausgangsfolge ( a n ) n N {\displaystyle (a_{n})_{n\in \mathbb {N} }} wird dann als Cesàro-summierbar oder C 1 {\displaystyle C_{1}} -summierbar zum Wert σ {\displaystyle \sigma } bezeichnet.

Bildet man zu der obigen Beispielfolge ( a n ) n N {\displaystyle (a_{n})_{n\in \mathbb {N} }} mit a n = ( 1 ) n + 1 {\displaystyle a_{n}=(-1)^{n+1}} die zugehörige Reihe n = 1 ( 1 ) n + 1 {\displaystyle \sum _{n=1}^{\infty }(-1)^{n+1}} , dann erhält man die folgenden Partialsummen:

s 1 = 1 s 2 = 1 1 = 0 s 3 = 1 1 + 1 = 1 s 2 n = k = 1 2 n ( 1 ) k + 1 = 0 s 2 n + 1 = k = 1 2 n + 1 ( 1 ) k + 1 = 1 {\displaystyle {\begin{aligned}s_{1}&=1\\s_{2}&=1-1=0\\s_{3}&=1-1+1=1\\&\;\;\vdots \\s_{2n}&=\sum _{k=1}^{2n}(-1)^{k+1}=0\\s_{2n+1}&=\sum _{k=1}^{2n+1}(-1)^{k+1}=1\\&\;\;\vdots \end{aligned}}}

Die Cesàro-Mittel über die Folge dieser Partialsummen lauten dann:

σ 1 = 1 σ 2 = 1 + 0 2 = 1 2 σ 3 = 1 + 0 + 1 3 = 2 3 σ 2 n = 1 2 n k = 1 2 n s k = n 2 n = 1 2 σ 2 n + 1 = 1 2 n + 1 k = 1 2 n + 1 s k = n + 1 2 n + 1 = 1 2 + 1 2 ( 2 n + 1 ) {\displaystyle {\begin{aligned}\sigma _{1}&=1\\\sigma _{2}&={\tfrac {1+0}{2}}={\tfrac {1}{2}}\\\sigma _{3}&={\tfrac {1+0+1}{3}}={\tfrac {2}{3}}\\&\;\;\vdots \\\sigma _{2n}&={\frac {1}{2n}}\sum _{k=1}^{2n}s_{k}={\tfrac {n}{2n}}={\tfrac {1}{2}}\\\sigma _{2n+1}&={\frac {1}{2n+1}}\sum _{k=1}^{2n+1}s_{k}={\tfrac {n+1}{2n+1}}={\tfrac {1}{2}}+{\tfrac {1}{2\cdot (2n+1)}}\\&\;\;\vdots \end{aligned}}}

Es gilt σ n 1 2 {\displaystyle \sigma _{n}\rightarrow {\tfrac {1}{2}}} und damit C - n = 1 ( 1 ) n + 1 = 1 2 {\displaystyle C{\text{-}}\sum _{n=1}^{\infty }(-1)^{n+1}={\tfrac {1}{2}}} . Diese Reihe wird auch als Grandi-Reihe bezeichnet.

Terminologie

Viele Autoren definieren die Cesàro-Konvergenz nur für Reihen, das heißt, sie betrachten nur die Cesàro-Mittel der zugehörigen Partialsummen. Bezogen auf eine Reihe a n {\displaystyle \textstyle \sum a_{n}} haben die Bezeichnungen Cesàro-konvergent, Cesàro-summierbar oder C 1 {\displaystyle C_{1}} -summierbar die gleiche Bedeutung. Dies ist aber nicht der Fall, wenn man sich auf die Folge ( a n ) n N {\displaystyle (a_{n})_{n\in \mathbb {N} }} bezieht. Hier haben Cesàro-Konvergenz und Cesàro-Summierbarkeit eine unterschiedliche Bedeutung, denn die Konvergenz bezieht sich dann auf die Cesàro-Mittel der Folgenglieder, während sich die Summierbarkeit auf die Cesàro-Mittel der aus den Folgengliedern gebildeten Partialsummen bezieht und damit der Summierbarkeit beziehungsweise Konvergenz der zugehörigen Reihe a n {\displaystyle \textstyle \sum a_{n}} entspricht.

Anwendungen

Die Anwendung des Cesàro-Mittels auf den Dirichlet-Kern in der Fourier-Analysis führt zum Fejér-Kern und dem Satz von Fejér, der das Konvergenzverhalten von Fourier-Reihen beschreibt. In der Theorie der divergenten Reihen lässt sich mit Hilfe der Cesàro-Mittel bestimmten divergenten Reihen ein Grenzwert im Sinne der Cesàro-Konvergenz zuordnen.

Literatur

  • Harro Heuser: Lehrbuch der Analysis – Teil 2. 5. Auflage, Teubner 1990, ISBN 3-519-42222-0, S. 155
  • Martin Barner, Friedrich Flohr: Analysis I. 3. Auflage, Walter de Gruyter 1987, ISBN 311-011517-4, S. 459
  • Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik: Band 1: A bis Ei. Springer, 2. Auflage, 2017, ISBN 9783662534984, S. 304
  • Douglas N. Clark: Dictionary of Analysis, Calculus, and Differential Equations. CRC Press, 1999, ISBN 9781420049992, S. 120
  • Carl L. DeVito: Harmonic Analysis: A Gentle Introduction. Jones & Bartlett, 2007, ISBN 9780763738938, S. 43
  • Godfrey Harold Hardy: Divergent Series. Clarendon Press, Oxford, 1949, S. 94–118, insbesondere S. 96

Weblinks

  • Timo Weidl: Die Methode der arithmetischen Mittel nach Cesaro – Teil eines Analysis II Skripts (Uni Stuttgart)
  • Richard Hensh: Infinite Series – Vorlesungsmaterialen (Michigan State University), S. 11–15
  • Cesaro-Mittel auf SOS Math (engl.)